YouTube und Co - Gefahr oder Chance?
„Papa, Papa, wir wollen einen Film schauen!“ Die Kleinen suchen sich eine VHS-Kassette aus, Papa schiebt sie in den Spieler und los geht’s. So war das zumindest vor 20 Jahren. Heute sieht die Situation anders aus.
VHS-Kassette dürften viele Kinder nur noch aus Erzählungen kennen und die größte Videothek ist nicht bei Papa im Regal, sondern im World Wide Web zu finden. Circa 100 Stunden Videomaterial landet minütlich auf YouTube – mehr als ein normaler Mensch jemals anschauen kann. Damit sind Plattformen wie „YouTube“ und „myvideo“ eine riesige Erlebniswelt, die vor allem für junge Nutzer zum gefährlichen Spielplatz werden kann.
„Streamingportale sind soziale Netzwerke. Das unterscheidet sie von den klassischen Medien wie Fernsehen oder Radio“, sagt Lambert Zumbrägel vom Bezirksjugendring Unterfranken. Denn: Über die Portale können sich Kinder und Jugendliche austoben. Sie können chatten, liken, sich aufregen. Kurz gesagt: Sie können interagieren. Nicht nur untereinander, sondern auch mit ihren „Stars“, die es auf YouTube inzwischen massenweise gibt. Das klassische Fernsehen biete das nicht und sei bei jungen Leuten fast schon out.
„Streaming“, auf Deutsch „Strömung“, bezeichnet die fortlaufende Übertragung von Daten. Filme oder Musikstücke können angeschaut werden, ohne dass man sie vorher herunterlädt. Experten sprechen von Echtzeitübertragung. Das ist bequem und einfach. Ein Klick auf den „Starten“-Knopf und schon kann es losgehen. Musikvideos von Popstars, Zeichentrickfilme, lustige Tiervideos. Das Angebot ist riesig. „Wir leben in einer Überflussgesellschaft. Es gibt immer mehr, als wir verarbeiten können“, so Medienpädagoge Zumbrägel. Wenn Kinder im Umgang damit nicht geübt sind, könne das Angebot sie schnell überfordern. Neben harmlosen Videos gibt es auch viele, die für Kinder nicht geeignet sind. Gewalt, Sex, Extremismus. Die Liste ist lang. Finden lassen sich diese Videos ganz einfach. Eine Sperre kann nur von Erwachsenen eingerichtet werden. Gibt es diese nicht, landen die Kinder in einer Welt, in der sie nichts verloren haben und die sie schlichtweg überfordert.
Damit Kinder und Jugendliche gar nicht erst auf die Idee kommen, sich so etwas anzuschauen, spielen die Eltern eine wichtige Rolle. „Sie müssen lernen, ihre Kinder beim Betreten der Medienwelt zu begleiten. Auch wenn sie selbst keine Ahnung haben“, so Zumbrägel. Eltern sollten ihre Kinder ermutigen, von ihren Medienerfahrungen zu erzählen. Diese Ansicht teilt auch Familienministerin Manuela Schwesig (SPD), die die Eltern in einem Ratgeber direkt anspricht: „Sprechen Sie mit ihren Kindern darüber, erkunden Sie das Netz gemeinsam.“ Eltern könnten ihren Schützlingen den Umgang mit YouTube und Co. auch verbieten, doch das sei der völlig falsche Weg, meinen Experten. „Die Gefahren machen eventuell nur fünf Prozent des gesamten Internets aus. 95 Prozent liegen in den Chancen“, so Zumbrägel.
Genau das haben beispielsweise zwei Jungs aus Heidelberg erkannt. Sie gründeten „The Simple Club“, einen Nachhilfe-Kanal auf „YouTube“. Bei Schülern in ganz Deutschland wurde der Kanal schon kurz nach dem Start ein Hit, Hunderttausende abonnierten ihn. Mittlerweile touren die zwei Jungs auch durch die Schulen der Bundesrepublik. Schließlich ist die Schule der Ort, an dem die Kinder ihre Erfahrungen mit den Videoportalen austauschen.
Dennoch werde in Schulen noch immer zu wenig über die Plattformen aufgeklärt, meint Medienpädagoge Zumbrägel. „Leider beschränken sich Schulen allzu oft nur auf das Betonen der Gefahren, vermitteln aber kaum einen Umgang damit.“ Dabei sei Bildung der beste Kinder- und Jugendschutz. Katja Knierim von „jugendschutz.net“ stimmt da zu. Recherchen hätten gezeigt, dass viele Schüler mit der Handykamera einfach überall draufhalten und das dann online stellen. „Einige Videos zeigen beispielsweise den Schulunterricht samt Lehrern und ganzen Klassen, vermutlich ohne deren Zustimmung“, so Knierim.
Medien sollten die Kinder bei ihrer Entwicklung fördern und nicht stören. Das klappt nur, wenn der Einstieg in diese Medienwelt altersgerecht ist. Dazu ist eines besonders wichtig: der Dialog mit den Eltern und Lehrern. Sie müssen zusammen mit Kindern und Jugendlichen über die digitale Welt sprechen und gemeinsam auf Erkundungstour gehen. Nicht nur die Gefahren, sondern vor allem die Chancen sehen. Nur so gelingt ein sicheres Surfen im World Wide Web. Damit aus einem lustigen Katzenvideo nicht der blanke Horror wird.
Autor Lucas Kesselhut
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